Science Fiction schildert meist eine mögliche Zukunft oder zumindest eine solche, die nach den technischen Kenntnissen des Autors möglich wäre. »Kaiserfront: Die Schwarze Macht« ist der Auftakt zu einer Reihe, die die Entwicklung der Menschheit schildert, wie sie sein könnte, wenn Deutschland den Ersten Weltkrieg gewonnen hätte. Doch macht so ein Szenario Sinn? Deutschland hat besagten Krieg verloren, ist also ein solches Szenario nicht unmöglich? Meine Antwort auf diese Frage lautet ganz klar: Nein – ein solches Szenario ist nicht unmöglich. Mit der Begründung meiner Antwort befinde ich mich in der guten Gesellschaft einiger der besten Physiker des Planeten.
Seit rund achtzig Jahren gibt es einen heftigen Streit unter den Physikern, wie eine der verwirrendsten Theorien, die je vom menschlichen Geist erdacht wurde, zu interpretieren sei: die Quantenmechanik. So seltsam die Theorie auch anmuten mag, so exakt beschreibt sie jedoch das tatsächliche Verhalten der Natur im mikroskopisch Kleinen, in der Welt der Elementarteilchen.
Beim Streit unter den Physikern geht es nicht etwa um die mathematische Beschreibung der Theorie – darüber ist man sich längst einig – sondern darüber, wie die in weiten Teilen dem »gesunden Menschenverstand« widersprechende Welt der Quanten zu interpretieren sei. Zwei Hauptströmungen haben sich herauskristallisiert vertreten durch die Anhänger der sogenannten »Kopenhagener Deutung« und diejenigen der »Vielweltentheorie«.
Doch für die Kopenhagener Deutung wird die Luft langsam dünn. Immer mehr Physiker ziehen die Vielwelteninterpretation vor, die besagt, dass jeder Zustand eines physikalischen Systems, der nach der Quantentheorie mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit möglich ist, tatsächlich auch realisiert wird. Demnach gibt es eine riesige Zahl von Universen, die sich alle durch ihren Quantenzustand unterscheiden. Diese Unterschiede können sehr groß sein – es werden zum Beispiel auch Universen ohne die Erde existieren –, sie können aber auch minimal sein, etwa indem in einem anderen Universum ein Elektron lediglich einen anderen Wert für seinen Drehimpuls (Spin) angenommen hat als im unsrigen. Mit anderen Worten: Nach der Vielwelten-Interpretation wird alles zur Wirklichkeit in irgendeinem der unzähligen Universen, was logisch möglich ist.
Diese Vorstellung mag Ihnen, lieber Leser, absurd erscheinen, doch genau diese Vorstellung wird von einer ganzen Reihe von Top-Physikern und Nobelpreisträgern vertreten. Unter diesen befinden sich Philip Anderson, Richard P. Feynman, Murray Gell-Mann, Stephen W. Hawking, Leon Lederman, Anthony Leggett, Frank J. Tipler und Steven Weinberg, um nur einige zu nennen.
Doch keine Sorge, »Kaiserfront« ist kein Physikbuch, sondern ein Roman, mit dem ich Sie vor allem unterhalten möchte. Mir ging es lediglich darum aufzuzeigen, dass eine phantastische Geschichte über eine alternative Welt wie die in »Kaiserfront« geschilderte weit weniger absurd ist, als es den ersten Anschein haben mag.
Eine faszinierende Möglichkeit wäre natürlich eine Technologie, die zwischen alternativen Welten eine Verbindung schaffen könnte. Doch ich will nicht vorgreifen …
Salenstein, im Dezember 2009
Heinrich von Stahl
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